Sehr geehrte Damen und Herren
Wir danken für die Möglichkeit zur Mitwirkung an der vorliegenden Planung der ‚Verkehrssanierung Burgdorf-Oberburg-Hasle‘. Gerne nehmen wir die Gelegenheit dazu wahr.

Grundsätzliche Bemerkungen
Mit den vorgelegten Vorprojekten „Umfahrungen“ und „Null+“ sehen die Grünen Burgdorf den Auftrag des Grossen Rats umgesetzt. In Bezug auf das Planungsverfahren generell und zu den Rahmenbedingungen von Planauflage und Mitwirkung sehen wir jedoch mehrere Punkte, welche wir an dieser Stelle in aller Deutlichkeit kritisieren müssen:

  • Der Kanton schreibt in seiner Begleitbroschüre, dass ein „gewollter partizipativer Planungsprozess“ stattgefunden habe und verweist in diesem Zusammenhang auf die Informationsgruppe, die offenbar den Zweck hatte, „die Region und die Standortgemeinden, aber auch die betroffenen Verbände und Umweltorganisationen bei der Projektentwicklung aktiv miteinzubeziehen“ .Das Parteienspektrum in dieser Informationsgruppe war jedoch extrem einseitig, da die meisten Gemeinden bürgerliche Vertreter entsandten und die Umweltverbände nur mit einer einzigen Person Einsitz hatten. In den entsprechenden Sitzungen wurde primär über den Stand der Arbeiten informiert und es waren allenfalls Rückfragen möglich, von einem „aktiven Einbezug“ kann keine Rede sein. Die Dokumentation der Anwesenden war minimal und ging nicht über die präsentierten Folien und ein kurzes Protokoll hinaus.
  • Anlässlich verschiedener Informationsveranstaltungen im ersten Halbjahr hat Frau Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer betont, dass am Ende des Planungsprozesses eine breite und ausführliche öffentliche Mitwirkung stattfinden werde, die jetzige Mitwirkungsfrist erfüllt unseres Erachtens dieses Versprechen nicht.
  • Die Präsentation der Vorprojekte im kantonalen Verwaltungszentrum ist zwar übersichtlich gestaltet aber ohne eine fachliche Einführung ist sie für Laien schwer zu verstehen. Die Unterlagen sind sehr umfangreich und nur während einem Monat zu stark eingeschränkten Zeiten einsehbar (insgesamt 15 Öffnungstage, vornehmlich während Bürozeiten). Eine fundierte Auseinandersetzung mit einem Projekt dieser Dimension und Komplexität ist in dieser extrem kurzen Zeit gar nicht möglich und kann ehrenamtlich und neben dem eigenen Berufsalltag kaum geleistet werden.
  • Es ist seit Monaten offensichtlich, dass sowohl bei den Entscheidungsträgern des Kantons als auch bei der Region die Meinungen vorgefasst sind, obwohl dies immer wieder in Abrede gestellt worden ist. Anlässlich verschiedener Veranstaltungen und insbesondere in der Vernehmlassung zum RGSK im Frühling 2015 kam explizit zum Ausdruck, dass für die Regionalkonferenz und für den Kanton nur die Umfahrungsstrasse eine Lösung für die bestehenden Probleme sein könne. Die Regionalkonferenz (finanziert aus Steuergeldern der Gemeinden und des Kantons) nutzte zudem den zeitlichen, finanziellen und medial-kommunikativen Vorteil, den sie mit ihrem Insiderwissen hatte aus und beglückte die Menschen der Region mit einer teuren medialen Kampagne, welche zeitgleich mit der Mitwirkung lanciert wurde. Es fällt schwer zu glauben, dass die verantwortlichen Stellen des Kantons nun wie ursprünglich versprochen eine „unabhängige und gleichwertige Prüfung“ der vorliegenden Varianten durchführen werden.

Übergeordnete politische Zielsetzungen
Der Kanton Bern hat die Zeichen der Zeit erkannt und steht zur Energiewende. Diese beinhaltet auch den Verkehr, wo in den letzten 20 Jahren die vom Bund gesetzten Ziele weit verfehlt wurden1. In seinen Strategien und Zielen hat sich der Kanton dazu bekannt, den CO2-Ausstoss sowie den Verbrauch von Natur- und Kulturland zu reduzieren. Diese übergeordneten Zielsetzungen müssen zwingend ihre konkrete Wirkung auf anstehende Entscheidungen haben. Gemäss dieser Logik darf es das Projekt „Umfahrung“ gar nicht geben! Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Regionalkonferenz und der Kanton Bern ernsthaft dran glauben können, dass sie mit einem Umfahrungsprojekt, welches den übergeordneten raumplanerischen und energiepolitischen Grundsätzen des Bundes diametral widerspricht, bei einer Eingabe um Mitfinanzierung durch den Bund erfolgreich sein können.

Wegweisende Entscheidungen des Schweizer Souveräns in den letzten Jahren, weisen einen ganz anderen Weg als den, welchen der Kanton mit den Umfahrungsstrassen erzwingen will (Raumplanungsgesetz 2013, Zweitwohnungsinitiative 2012). Weitere hängige Initiativen mit guten Chancen beim Souverän gehen in die gleiche Richtung(Initiative für Ernährungssicherheit, Grüne Wirtschaft, Zersiedelungsinitiative oder auch die kantonale Kulturlandinitiative).

Der Kanton straft mit diesem Strassenprojekt zudem seine eigenen Anstrengungen in anderen Politikbereichen Lügen. Und er verschweigt, dass er in der jüngsten Vergangenheit bei der Sanierung von stark belasteten Ortsdurchfahrten mit dem Ansatz Null+ sehr erfolgreich war. In den 90-er Jahren hat der Kanton Bern mit dem „Berner Modell“ Pionierarbeit geleistet und gezeigt, wie es möglich ist, in einem wirklich partizipativen Ansatz Verkehrslösungen zu finden, „welche die Anliegen von Mensch, Siedlung und Umwelt gleichwertig einbeziehen“2. Wieso vertraut der Kanton in diesem Fall nicht auf sein eigenes „Berner Modell“, mit dem er weit über die Schweiz hinaus Pionierarbeit geleistet hat? Wieso favorisiert der Kanton ein Projekt, für das bestes Kulturland von der Fläche eines durchschnittlichen Landwirtschaftsbetriebes geopfert werden soll?

Mit dem Projekt „Umfahrung“ wirft der Kanton seine eigenen Grundsätze und Zielsetzungen über Bord. Die Variante Null+ hingegen deckt sich sowohl mit den Strategien des Kantons als auch mit der übergeordneten Politik des Bundes.

Gesamtmobilitätsstrategie des Regierungsrates des Kantons Bern
In seiner Gesamtmobilitätsstrategie vom August 2008 bekennt sich der Regierungsrat des Kantons Bern zu den Prinzipien und zum Zielsystem der Nachhaltigen Entwicklung und formuliert „die drei V“ als wichtigste verkehrsplanerische Lösungsansätze: „vermeiden, verlagern, verträglich abwickeln“. Als Handlungsmaximen verspricht er „Nachfragebeeinflussung und Verkehrsmanagement vor Neubauten“ und bei Ausbauten die „Bevorzugung von robusten und wirksamen Massnahmen“3.

Mit der Favorisierung der Umfahrungsstrassen im Emmental und Oberaargau widerspricht der Kanton seiner eigenen Mobilitätsstrategie. Die Verkehrsprobleme im Emmental und im Oberaargau sind mitnichten so gross, dass sie nur mit Umfahrungsstrassen zu lösen sind, das weiss auch der Kanton. Bereits in der ZMB hat der Kanton die Variante Null+ als „valable Alternative“ bezeichnet, im Oberaargau war Null+ anfänglich diejenige Lösung, welche auch der Kanton favorisiert hat –erst nach der öffentlichen Mitwirkung ist er auf die Umfahrungslösung umgeschwenkt.

Was gelten Strategien und Grundsätze des Kantons oder in langen Prozessen gemeinsam erarbeitete Grundlagen, wenn sie unter (politischem?) Druck ins Gegenteil verkehrt werden? Wie glaubwürdig ist der Kanton gegenüber Bundesstellen, wenn er Bundesgeld für Projekte fordert, welche mit den eigenen Grundsätzen und Strategien nicht vereinbar sind und den raumplanerischen Grundsätzen des Bundes widersprechen?

1Treibstoffe: 12.9% Zunahme anstatt 8% Abnahme in der Kyoto-Verpflichtungsperiode2008-12 gegenüber 1990. Quelle: BAFU 2013.
2TBA des Kantons Bern, OIK II: „Das Berner Modell: Zukunftsfähige Lösungen für den Strassenverkehr“ und „Koexistenz statt Dominanz im Strassenverkehr –Das Berner Modell in Planung und Praxis“
3BVE des Kantons Bern, 2008: Gesamtmobilitätsstrategie.

Vollständige Vernehmlassungsantwort (PDF)