Sehr geehrte Damen und Herren
Wir danken für die Möglichkeit, zum RGSK und Agglomerationsprogramm Stellung beziehen zu können.
Planungsansatz allgemein
Wir stellen fest, dass wichtige Teile der im Konzept formulierten Zielsetzungen auch mit unseren Vorstellungen bezüglich der Entwicklung der Region Emmental übereinstimmen. Das RGSK basiert auf den übergeordneten Zielsetzungen des Bundes und des Kantons Bern und strebt eine nachhaltige Raumentwicklung an. Dies soll mit einer Siedlungsentwicklung nach innen an bereits gut erschlossenen Standorten erreicht werden, sowie mit einer kostengünstigen und effizienten Verkehrsinfrastruktur, welche möglichst geringe Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt hat.
Die Maxime, dass nur eine „zusätzliche substanzielle Verbesserung der übergeordneten Strasseninfrastruktur“ die gewünschte Entwicklung von Agglomeration und Region ermöglichen bzw. die extreme Fokussierung auf die sogenannte „Verkehrssanierung Burgdorf-Oberburg-Hasle“ erachten wir jedoch als höchst problematisch.
Im vorliegenden Konzept wird mehrfach ausgesagt, dass nur eine Umfahrungsstrasse („Zufahrt Emmental“) die gewünschte Entwicklung bringen könne. Bereits zum heutigen Zeitpunkt (anfangs 2015) sind die Meinungen offenbar gemacht, eine unvoreingenommene und ergebnisoffene Prüfung der Grundlagen und Varianten, welche im Projekt „Verkehrssanierung Burgdorf-Oberburg-Hasle“ bis Ende 2015 erarbeitet werden und dannzumal in die Vernehmlassung gehen, ist damit nicht gewährleistet.
Das vorliegende Entwicklungskonzept und das Agglomerationsprogramm verstricken sich mit dieser Fokussierung in unauflösbare Widersprüche: der Bau einer Umfahrungsstrasse widerspricht  dem Ziel einer nachhaltigen Raumentwicklung, fördert die weitere Zersiedlung anstelle der angestrebten Siedlungsverdichtung nach innen, ist weder kostengünstig noch effizient und hat in jedem Fall negative Auswirkung auf die Umwelt (Bodenverbrauch, Beeinträchtigung von wertvollen Natur- und Naherholungsräumen, grossräumige Eingriffe in den Grundwasser- und Trinkwasserkörper der Region, Emissionen durch den zusätzlich induzierten Mehrverkehr). Diese und weitere Risiken müssten in einer seriösen SWOT-Analyse aufgearbeitet werden.
In bestimmten Fällen kann der Bau einer Strasse oder neuer Strassenabschnitte durchaus eine Lösung sein, im vorliegenden Konzept wird die „Zufahrt Emmental“ jedoch zum Ziel erhoben und das ganze Entwicklungskonzept einseitig darauf ausgerichtet. Wichtige Entwicklungsaspekte werden ausgeblendet, andere Projekte ausdrücklich zurückgestellt und „alles auf eine Karte gesetzt“.
Ein weiterer Mangel ist die ungenügende Berücksichtigung des revidierten Raumplanungsgesetzes und die zu erwartenden Verschärfungen im Bereich Siedlung und Schutz der Fruchtfolgeflächen. Weitere wichtige Einflüsse und Entwicklungen (z.B. nationale Zersiedelungsinitiative, kantonale Kulturlandinitiative, gesellschaftliche Trends in Bezug auf Umwelt- und Mobilitätsverhalten) sind ebenfalls nicht berücksichtigt.
Mit einer vorausschauenden Strategie „Null+100 clevere Massnahmen zur Verkehrsverlagerung“ anstelle von teuren neuen Strassen können die in den Einleitungskapiteln formulierten Oberziele viel risikoärmer und nachhaltiger erreicht werden. Von einer solchen Erkenntnis ist in den vorliegenden Konzepten (RGSK und AP) nichts zu spüren. Insofern sind die vorgelegten Dokumente sehr enttäuschend, mit der einseitigen Optik wird eine grosse Chance vertan.
Bericht: Grundlagen (RGSK Kapitel 2)
Zum Grundlagenteil möchten wir in folgenden Punkten ergänzende Überlegungen anfügen:
Umnutzungs- und Verdichtungspotential (Kap. 2.2.5 Seite 14)

  • richtig, einverstanden
  • Aussagekraft der relativ alten Daten (2006)?
  • diverse Industrie-/Gewerbeareale wenig intensiv genutzt oder oft lange brach liegend
  • an belasteten Strassen können anstelle der zunehmend unattraktiven Wohnnutzung gewerbliche Nutzung angesiedelt und gefördert werden (Burgdorf, Oberburg)

Entwicklung der Verkehrsbelastung (Kap. 2.2.7 Seite 15)

  • die dargestellten Durchschnittswerte beinhalten auch die Zahlen der verkehrsreichen Zählstellen in Kirchberg (inkl. Autobahn) mit einer sehr starken Zunahme in den vergangenen Jahren
  • dies verfälscht die dargestellten Durchschnittswerte, die aus der Aufsummierung der Werte von vier bzw. elf Zählstellen errechnet werden
  • die genauere Analyse der Werte auf der Emmental-Hauptachse zeigt, dass dort die Verkehrszunahme seit 15 Jahren bei lediglich rund 0.5% liegt, Tendenz eher abnehmend (Sättigung oder Trendwende?)
  • eine „Fortschreibung“ der Verkehrsentwicklung für die nächsten 15 Jahre mit einer Zunahmerate von 1% ist vor diesem Hintergrund fraglich (vgl. Projekt ‚Verkehrssanierung B-O-H‘)
  • die Belastung von 15-17‘000 Fahrzeugen auf den Hauptachsen ist hoch, kann jedoch von einer modern ausgebauten Strasse (Sanierung Ortsdurchfahrt) verträglich abgewickelt werden

Die Zahlen zeigen auch, dass der Verkehr in den letzten 15 Jahren dort überproportional zugenommen hat, wo die Verkehrsfläche ausgebaut worden ist, eine Tatsache, welche aus der verkehrswissenschaftlichen Literatur als „Verkehrseffekt“ bekannt ist. Eine derartige Zunahme ist mit den allgemeinen raumplanerischen Zielsetzungen von Bund, Kanton und Region (siehe Einleitung) nicht vereinbar. Ein Ausbau der Strasseninfrastruktur ist vor diesem Hintergrund kritisch zu hinterfragen.
Die erwähnte allgemeine Zunahme der Mobilität ist nicht falsch, kann jedoch auch anders befriedigt werden als mit zusätzlichen Strassen. Mobilität ist nicht gleichbedeutend mit der nachgefragten Verkehrsmenge, die Mobilität kann auch verbessert werden ohne dass mehr Verkehr erzeugt wird, z.B. durch Mobilitäts-Dienstleistungen (Lieferdienste), ein vielfältigeres Angebot an Verkehrsmitteln, eine bessere Fahrzeugauslastung, Mitnahmesysteme usw.
Öffentlicher Verkehr (Kapitel 2.2.8 Seite 21):
75% der gesamten Bevölkerung im Emmental gelten als ‚erschlossen‘ das heisst, sie leben in Fuss- und Velodistanz zum öffentlichen Verkehr. Dieser Wert ist im kantonsweiten Vergleich zwar tief, weist jedoch eine rasche Zunahme auf (72% im RGSK 1). Die Strassen werden auch künftig ein wichtiger Faktor für die Erschliessung in randlichen Gebieten sein, das Umsteigepotential und die Chancen für ÖV, Langsamverkehr und alternative Erschliessungsformen ist jedoch gross. Mit geeigneten Massnahmen könnte in den Zentren und auf den Hauptachsen relativ rasch Raum für diejenigen Einwohner der Region geschaffen werden, welche auf ein Auto zwingend angewiesen sind (peripher lebende Personen, Gewerbetreibende).
Veloverkehr (Kapitel 2.2.9 Seite 26):
Eine nationale und mehrere regionale Velorouten sowie die Herzroute sind in der Karte Seite 26 eingetragen, die Herzroute fehlt jedoch in der Beilage 4 zum Agglomerationsprogramm („Netz Veloverkehr Ist-Zustand 2016“). Im Text ist allerdings fälschlicherweise von  (mehreren) „nationalen“ Routen die Rede, was nicht stimmt, es gibt nur einen kurzen Abschnitt einer nationalen Veloroute im südlichsten Zipfel des Emmentals.
Das Potential des Veloverkehrs erachten wir ebenfalls als gross, sowohl in der Stadt Burgdorf als auch zwischen den Gemeinden (siehe weiter unten).
Zukünftiger Zustand Siedlung (Kapitel 2.3 Seite 28):
Die Bevölkerungsentwicklung und die Entwicklung der Arbeitsplätze zeigen in den vergangenen 15-20 Jahren deutlich tiefere Werte, als sie für die zukünftige Entwicklung prognostiziert oder angestrebt werden (z.T. sogar rückläufig).
Während die Bevölkerung um 0.5% wachsen soll, wird für den Verkehr eine Zunahme von 1% angenommen, ist das plausibel? Eine Entkopplung dieser beiden Entwicklungen nötig und möglich, der Mikrozensus Verkehr zeigt, dass die der auf der Strasse zurückgelegten Wegstrecke in den vergangenen 15 Jahren pro Person nicht mehr zugenommen hat, beim MIV stagniert seit dem Jahr 2000 die Menge der pro Jahr zurückgelegten Personenkilometer!
Die Folgerung, dass zusätzliche Arbeitsplatzzonen in ländlichen Gebieten ausgeschieden werden sollen, weil neue Arbeitsplätze an den ESP Mehrverkehr nach sich ziehen, ist widersprüchlich. Neue Arbeitsplätze in ländlichen Gemeinden ziehen erst recht Mehrverkehr nach sich, Einzonungsverfahren im ländlichen Raum widersprechen den eingangs erwähnten Zielen (haushälterischer Umgang mit den Ressourcen, Minimierung des Landschaftsverbrauchs) und sind kritisch zu hinterfragen.
Die Verlagerung von Arbeitsplätzen aus der Landwirtschaft in den gewerblich-industriellen oder in den Dienstleistungsbereich kann u.E. durchaus mit raumplanerischen Massnahmen beeinflusst werden (S. 29 oben).
Zukünftiger Zustand Verkehr (Kapitel 2.4 S. 31)
Das Projekt Umbau Ortsdurchfahrt Burgdorf ist noch nicht weitgehend umgesetzt, im Moment läuft die Intensivbauphase mit relativ starker Beeinträchtigung des Verkehrs, die Wirkung, welche die Sanierung erzielen wird, ist somit heute noch kaum abzuschätzen.
Dass die Region bereits heute das Szenario Umfahrung klar favorisiert zeugt von vorgefassten Meinungen. Dieser Haltung widersprechen mehrere  Parteien und zahlreiche kritische Verbände klar. Eine Diskussion über die Entwicklungsziele und insbesondere die Wege und Massnahmen zu deren Erreichung fand in den vergangenen Jahren zwischen wirtschaftsnahen Kreisen und Umweltverbänden und sozial und ökologisch eingestellten Parteien nicht statt.
Das RGSK, das AP sowie auch das Projekt „Verkehrssanierung B-O-H“ wurden zwar von der Regionalkonferenz bzw. der Region erarbeitet, dies jedoch praktisch unter Ausschluss der erwähnten Parteien und Verbände, die in den Gremien kaum oder überhaupt keinen Einsitz hatten.
Die bis 2030 hochgerechneten Verkehrszahlen (Tabelle 15 S. 33) basieren auf dem Verkehrsmodell des Kantons. Sie zeigen für Kirchberg eine mehrfach tiefere Verkehrszunahme als in den letzten 10 Jahren (0.5-0.6%/Jahr gegenüber 1.4-1.8%/Jahr), gleichzeitig jedoch eine deutliche stärkere Zunahme des Verkehrs innerhalb der Region gegenüber den letzten Jahren. Diese Diskrepanz ist erklärungsbedürftig und trägt nicht zum Vertrauen in das angewendete Verkehrsmodell bei. Nicht nur die Schätzgenauigkeit (Vorbehalt S. 33), sondern auch die dem Modell unterlegten Annahmen sind kritisch zu hinterfragen.
Fazit (S. 35)
Dass die Verkehrssanierung B-O-H von grosser Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Region ist, können wir durchaus unterstreichen. Dass der Variantenentscheid, der erst in einem Jahr gefällt werden kann, im vorliegenden Bericht bereits derart deutlich vorweg genommen wird, ist jedoch problematisch. Es ist kaum glaubhaft, dass mit derart vorgefassten Meinungen eine  neutrale und wertfreie Prüfung der verschiedenen Varianten erfolgen wird.
Bericht: SWOT-Analyse (Kapitel 3 S. 36)
Das dritte Kapitel enthält zwar einige korrekte Aussagen zu Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken, insgesamt ist dieses Kapitel jedoch enttäuschend. Was hier vorgelegt wird, ist keine SWOT-Analyse, sondern eine blosse Auflistung zu den erwähnten Oberbegriffen. Teilweise werden Stärken und Chancen verwechselt, und ebenso werden Schwächen und Risiken nicht sauber auseinandergehalten. Insbesondere fehlt jedoch das Kernelement einer korrekt durchgeführten SWOT-Analyse, nämlich die kritische Reflexion der Chancen und Risiken vor dem Hintergrund der erkannten Stärken und Schwächen (Matrix-Darstellung):

Quelle: Wikipedia
Dieses Kapitel ist unseres Erachtens grundsätzlich zu überarbeiten. Wir beschränken uns im Folgenden auf eine Auswahl besonders wichtiger Kritikpunkte:
Bevölkerung und Wohnen (Kapitel 3.2.1 Seite 37):

  • Stärke „Nachfrage im Wohnbausektor …“ wird im gleichen Abschnitt bereits bewertet, was in einer SWOT-Analyse an dieser Stelle noch nicht geschehen sollte.
  • Chancen: der Hinweis „bauen auf den vorhandenen Stärken auf“ basiert auf dem falsch verstandenen Denkansatz einer SWOT-Analyse; die Chancen sind „external Opportunities“, welche in einem ersten Schritt noch nicht mit (internen) Stärken oder Schwächen zu verknüpfen sind.

Arbeitsplätze (Kapitel 3.2.2 Seite 38):

  • Korrektur beim letzten Punkt unter Stärken: ‚insofern‘ anstatt ‚insbesondere‘
  • „Attraktive Reserven an gut geeigneten Standorten“ sind nicht als Chance, sondern als Stärke aufzuführen, ebenso das ÖV-Angebot (kann beeinflusst und mitgestaltet werden).
  • Alle aufgeführten Risiken sind viel eher als Schwächen aufzuführen, da intern und nicht extern/unbeeinflussbar.

Siedlung ausserhalb des Baugebiets (Kapitel 3.2.3 Seite 40):

  • Streusiedlung: warum gleichzeitig Schwäche und Risiko? à Schwäche, da intern
  • „Zerfallende Strukturen“: Schwäche, nicht Risiko

Überregionale Verkehrserschliessung (Kapitel 3.3.1 Seite 40):

  • „Ausreichende überregionale Veloverbindungen …“: sicher falsch, keine Stärke, sondern eine eindeutige Schwäche, dass zwischen den Ortschaften kaum sichere Veloverbindungen für den Alltagsverkehr vorhanden sind.
  • Als Stärke kann auch aufgeführt werden, dass es auf grossen Teilen der Hauptachse durchs Emmental insgesamt nicht übermässig viel Verkehr hat, mit 10-15‘000 Fahrzeuge im oberen/mittleren Emmental ist der aktuell aufkommende Verkehr gut bewältigbar.
  • Der schweizweit feststellbare Trend weg vom MIV und hin zu ÖV und LV ist tatsächlich als eine wichtige Chance zu bezeichnen.
  • Risiko: Überalterung der Gesellschaft führt zum Problem, dass bei einseitig MIV-orientierter Verkehrsstruktur Menschen immobil werden und deshalb in die Zentren abwandern.
  • Risiko: Energieverknappung, Ölpreissteigerung usw. wirken sich negativ auf eine zu wenig mit ÖV  und LV erschlossene Region aus.
  • Risiko: Nicht-Finanzierbarkeit von massiven zusätzlichen (Strassen-)Infrastrukturen, v.a. auch bezüglich längerfristigem Unterhalt und Erneuerung.

Regionale und lokale Verkehrserschliessung (Kapitel 3.3.2 Seite 41):

  • „Zugang zu den Haltestellen und Ausbaustandard“ ist für Burgdorf nicht als Stärke zu bezeichnen: für Velofahrende sind die Zugänge zum Teil unattraktiv und eng und es bestehen chronisch zu wenig Abstellplätze, die Nachrüstung der letzten Jahre hinkte dem wachsenden Bedarf permanent hinterher.
  • Die lokalen Veloverbindungen sind oft unattraktiv und es gibt hunderte von nicht bereinigten Netzwiderständen.
  • Die vorhandenen regionalen Veloverbindungen sind nur sehr bedingt eine Stärke, wichtige Achsen sind auch für den Freizeitverkehr ein Problem (z.B. Hindelbank-Burgdorf, Hindelbank-Lyssach, Burgdorf-Wynigen, Hasle-Schafhausen).

Die „Verkehrssanierung Burgdorf“ an dieser Stelle als Chance aufzuführen, ist verfehlt. Als Chancen sind in einer SWOT-Analyse externe Faktoren zu nennen, bei der „Verkehrssanierung“ handelt es sich um ein Projekt der Region. Diese Verkehrssanierung kann je nach Ausgestaltung (und je nach politischer Einschätzung) positive oder negative Folgen haben. Insbesondere der Bau einer Umfahrungsstrasse birgt problematische Aspekte, welche sich auch negativ auswirken können. Es ist durchaus vorstellbar, dass aufgrund externer Entwicklungen (siehe die oben genannten Risiken) die grossen Investitionen nutzlos verpuffen, da die erhoffte Entwicklung nicht stattfindet und negative Folgeerscheinungen überwiegen.
Fazit (S. 43)
Der Hinweis auf Problematik der Versorgungsbasis der Bevölkerung ist richtig, dieser Aspekt ist gut im Auge zu behalten. Wenn eine neue Umfahrungsstrasse allerdings die Erreichbarkeit und die gefühlten Distanzen zwischen dem mittleren Emmental und den grossen Einkaufszentren an der IKEA-Meile und in Schönbühl markant verkürzt, kann die erhoffte „Zufahrt Emmental“ sehr wohl auch zu einer „Wegfahrt Emmental“ werden. Die spätere Beobachtung dieser Entwicklung und der Versuch dies mit nachgelagerten Massnahmen zu verhindern, dürfte allerdings chancenlos sein. Wenn eine solche Entwicklung tatsächlich stattfindet, ist sie kaum mehr aufzuhalten.
Der Hinweis auf eine hohe Attraktivität der Wohnnutzung in Streusiedlungsbereich ist zu streichen. Mit der erwähnten Einschränkung, dass dies den Zwang zu einer höheren Automobilität erhöhe, wird der Hinweis gleich wieder entwertet, zudem ist mit Blick auf die raumplanerischen Vorgaben des Bundes und auf die politische Entscheide des Schweizer Souveräns in den letzten Jahren nicht mit einer Lockerung in diesem Bereich zu rechnen, sondern eher mit  Verschärfungen.
Bericht: Entwicklungsleitbild (Kapitel 4)
Mit den im Entwicklungsleitbild formulierten Oberzielen sind wir vollumfänglich einverstanden.
Einmal mehr zeigt sich jedoch ein grundsätzliches Problem in diesem Planungspapier. Es werden in Konsistenz mit den Leitzielen und Vorgaben des Bundes und des Kantons stimmige und allseits akzeptierbare Oberziele festgelegt, am Ende resultieren jedoch die alten Massnahmen welche letztlich darauf hinauslaufen, dass „nur mit einer neuen Zufahrtsstrasse ins Emmental“ die bestehenden Herausforderungen und Probleme gelöst werden können:

  • Neue Strassen vermeiden jedoch keinen unnötigen Verkehr, sondern sie erzeugen diesen.
  • Die natürlichen Lebensgrundlagen und die landschaftlichen Werte des Emmentals werden durch neue Strassen nicht erhalten, sondern zusätzlich bedroht.
  • Die Kulturlandschaft wird durch neue Strassen als Erholungsraum nicht gestärkt, sondern gefährdet.
  • Die Siedlungsentwicklung nach innen wird durch neue Strassen nicht gefördert, sondern erschwert.
  • Umweltbelastung und Ressourcenverbrauch werden durch neue Strassen nicht vermindert (Flächenverbrauch, kurze Wege), sondern erhöht.
  • usw.

Die Abbildung S. 47 zum Entwicklungsleitbild ist schlecht lesbar, zudem fehlen darin wichtige geschützte Landschaften (z.B. Moorlandschaft Meienmoos, Grundwasserschutzgebiet Oberburgschachen).
Teilstrategien (Kapitel 5)
Das Konzept der Zentralitätsstufen können wir unterstützen. Problematisch ist jedoch der Begriff der „dezentralen Konzentration“. Damit scheint die Region den Fünfer und das Weggli zu wollen. Man verspricht zwar, dass man eine Siedlungsentwicklung nach innen und eine Konzentration der Nutzungen will – weil die übergeordneten Leitziele und Strategien eine solche Entwicklung verlangen. Gleichzeitig will man jedoch möglichst alle Nutzungen dezentral ermöglichen (Wohnnutzung im Streusiedlungsgebiet, Förderung des Gewerbes auch in kleinen ländlichen Gemeinden, markante Stärkung der MIV-Erschliessung, Neueinzonung von Fruchtfolgeflächen usw.).
Die Aussage, dass zerfallende Strukturen und allenfalls aufgegeben Gebäude „Störobjekte“ seien und einen Konflikt mit der touristischen Nutzung darstellen, ist kritisch zu hinterfragen. Nicht nur die traditionelle Kulturlandschaft, sondern auch eine extensivierte Kulturlandschaft hat ihren Wert – vor allem ökologisch, aber auch touristisch oder sozial. Wir wissen heute nicht, wie eine nächste Generation eine solche Landschaft bewertet, dereinst können genau solche Gebiete, die heute von Abwanderung betroffen sind und nicht krampfhaft entwickelt werden, in anderer Form interessant und für eine neue Form der Nutzung wertvoll sein.
Der Hinweis in Kapitel 5.2 (Verkehr), dass die Umfahrung von Burgdorf, Oberburg und Hasle (oder das Szenario Null+) als prioritäre Massnahme zu betrachten sei, ist ausgehend von den dargelegten Überlegungen anders zu formulieren: die zu treffenden Massnahmen im Rahmen der „Verkehrssanierung B-O-H“ sind auf dem Hintergrund einer eingehenden Analyse von Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) kritisch abzuwägen, um damit tatsächlich die gewünschte Entwicklung zu erreichen.
Die Strategie beim öffentlichen Verkehr können wir vollumfänglich unterstützen. Bei der Prüfung der alternativen Erschliessungsformen ist neben Mitnahmesystemen und Bürgerbus unbedingt auch das Bikesharing zu erwähnen.
Nicht teilen können wir die Aussage, dass eine erhöhte touristische Nachfrage  eine bessere strassenseitige Erschliessung nach sich ziehe. Für eines der wichtigsten touristischen Projekte der Region in den letzten 10 Jahren, die Herzroute (Willisau-Burgdorf, Burgdorf-Langnau, Langnau-Thun), gilt genau das Gegenteil. Auch die touristische Weiterentwicklung kann und soll den bestehenden Gegebenheiten des Emmental Rechnung tragen und darf nicht genau die Werte, die damit erschlossen werden, selber zerstören.
Massnahmen (Kapitel 6)
MIV
Wie mehrfach dargelegt erachten wir es als falsch und problematisch, dass bereits zum jetzigen Zeitpunkt und in der vorliegenden Fassung des RGSK das Szenario Umfahrung derart klar favorisiert wird. Dass eine unabhängige Prüfung der in der „Verkehrssanierung B-O-H“ vorgelegten Lösungsvarianten möglich sein wird, ist schwerlich vorstellbar, wenn bereits jetzt im RGSK derart unmissverständlich ausgesagt wird, dass das Szenario Null+ lediglich als „Rückfallebene“ betrachtet wird.
Wir sind vielmehr überzeugt, dass das Szenario Null+ die im RGSK breit dargelegten Oberziele viel besser erfüllt als jede Umfahrungslösung und dass damit vor allem nicht derart grosse und unwägbare Risiken einhergehen (Mehrverkehr, Abwanderung, finanzielle Belastung usw.).
Ruhender Verkehr
Hier wird einzig die Erhöhung der Anzahl P+R-Plätze als Massnahme aufgenommen, die Abkürzung KM-P-1 verweist jedoch darauf, dass es auch um Massnahmen zur kombinierten Mobilität geht. Solche Massnahmen sind hier jedoch nicht erwähnt: zu erwähnen sind z.B. CarSharing, BikeSharing, alternative Lieferdienste, Mitnahmesysteme bzw. ein umfassender Programmansatz, wie in den letzten Jahren von ‚emmental bewegt‘ gefördert wurde.
Langsamverkehr
Dem kantonalen Radweg entlang der Bahn im Korridor Hasle-Oberburg kommt eine Schlüsselstelle zu. Diese Massnahme ist so schnell wie möglich zu realisieren, weitere Verbesserungen entlang wichtiger Achsen ebenso (Hasle-Schafhausen, Hindelbank-Burgdorf/Kirchberg, Burgdorf-Kirchberg, Burgdorf-Wynigen).
Dass für den Fussverkehr kein separates Massnahmenblatt erstellt wird, erachten wir als falsch. Auch hier könnte mit besseren Leitsystemen (vgl. z.B. Trubschachen) viel herausgeholt werden.
Bewertung und Priorisierung
Die Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung in der Region werden nicht nur durch eine Verbesserung der Strassenerschliessung erreicht. Die Priorisierung der Verkehrssanierung B-O-H führt dazu, dass dringend nötige Verbesserungen im Bereich ÖV und Langsamverkehr nur noch als flankierende Massnahmen zum Strassenbau wahrgenommen werden. Dies ist eine unzulässige Priorisierung des MIV. Im Bericht des Bundes vom 26.2.2014 zum Agglomerationsprogramm 2. Generation steht
„Das Agglomerationsprogramm Burgdorf 2. Generation behandelt alle Aspekte eines Agglomerationsprogramms. Das Programm fokussiert jedoch stark auf eine Lösung der Verkehrsprobleme mit einem Autobahnzubringer Emmental, wobei Überlegungen zu alternativen Konzepten mit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dies relativiert denn auch den erkennbaren roten Faden von der Analyse über das Zukunftsbild, die Herausforderungen und Strategien bis hin zu den Massnahmen sowohl im Verkehrs- als auch im Siedlungsbereich. …. Zu den Schwächen des Programms zählt im Verkehrsbereich das Fehlen MIV-lenkender und nachfragesteuernder Strategien und Massnahmen, z.B. bei der Parkierung. Damit verbleibt in der Agglomeration und insbesondere im Agglomerationskern eine hohe MIV-Belastung, die sich nur beschränkt mit einer Umfahrungsstrasse reduzieren lässt.“
Dieser Kritik des Bundes wird in den vorliegenden Unterlagen kaum Rechnung getragen, RGSK und Agglomerationsprogramm sind vollständig auf die Verkehrssanierung ausgerichtet. Alternative Verkehrskonzepte, Mobilitätsmanagement und neue Mobilitätsformen werden nicht oder nur in Ansätzen thematisiert.
Massnahmenblätter:
S2, S3, S4: Die Zielsetzungen in diesen Massnahmen sind richtig. Sie stehen aber in grundsätzlichem Widerspruch zu der Priorisierung der Verkehrssanierung B-O-H mit Umfahrung. Sollen diese Ziele erreicht werden, ist auf die Umfahrung zu verzichten.
ÖV-Str. 2: Zielsetzung und Massnahmen richtig. Auch andere Lösungen wie Ruf-Taxi müssen geprüft werden
ÖV-Str. 3: Die Zielsetzung richtig, der Ausbau des Busbahnhofs ist eine zentraler Bestandteil der Verbesserung der Busverbindungen in der Region.
MIV-U-1.01- 1.03: Zielsetzungen richtig, sie sind aber nicht mit der Umfahrung zu erreichen. Die Umfahrungsvariante ist nicht nur unvereinbar mit den Grundsätzen des Landschaftsschutzes. Sie generiert unter anderem auch unerwünschten Mehrverkehr, dies auch in Siedlungsgebieten, die teilweise massiv davon betroffen sind. Die Verbesserung der Wohnsituation entlang der Ortsdurchfahrten ist mit den vorgesehenen Mitteln (vfM) anzugehen, und zwar so schnell wie möglich. Massnahme 1.02 ist nach heutigem Stand des Vorprojektes obsolet, da Streckenführung und Bauweise geändert worden ist.
MIV-O-1.01-1.03: Massnahmen sind richtig. Auch die Einstufung als A-Massnahme für 10.01 und 1.02 ist richtig, die Sanierung auf diesen Strecken darf nicht weiter bis 2030 hinausgeschoben werden, sie muss so schnell wie möglich erfolgen.
MIV-O-3: Die Zielsetzung ist richtig. Der Schwerpunkt muss auf Verbesserungen für ÖV und Langsamverkehr liegen. Eine Beurteilung der einzelnen Massnahmen bezüglich Wirksamkeit und zeitlicher Einstufung ist im Rahmen dieser Mitwirkung nicht möglich.
LV-N-1 und LV-N-2: Wir sind mit der Zielsetzung grundsätzlich einverstanden. Verbesserungen für ÖV und Langsamverkehr bringen auch eine gewünschte Reduzierung des MIV mit sich. Diese Massnahmen müssen prioritär angegangen werden. Zu den einzelnen Massnahmen siehe Bemerkung unter MiV-O-3.
LV-N-3: Dringende Massnahme, die als A2 eingestuft werden muss.
KM-W-1: Die Zielsetzung ist richtig. Hier ist wesentlich mehr möglich. Alternative Mobilitätsformen und Mobilitätsmanagement sind Stichworte, die hier zu beachten sind. Speziell begrüssen wir die Massnahme Förderung von neuen Wohnsiedlungen mit reduzierter Stellplatzzahl, da der VCS sich seit längerem intensiv mit autoarmem und autofreiem Wohnen beschäftigt (http://www.vcsrgbern.ch/autofreies-wohnen/) und dies auch in der Region bereits gefordert hat (Siedlung Heubach Burgdorf).
 
Für die Prüfung unserer Überlegungen und Anregungen danken wir bestens.
Freundliche Grüsse
sig. Christine Meier
Co-Präsidentin
sig. Heinz Weber
Co-Präsident
sig. Theophil Bucher
Stadtrat/Fraktionspräsident